12 Spieregeln des Lebens / 10

12 Spieregeln des Lebens / 10

Monatsbeitrag Oktober 2020

Spielregel Nr. 10: Gelüste

von Peter W. Köhne

Gelüste – Haben wollen 

Es gibt viele Spielregeln im Leben, Gebote, Gesetze, Vereinbarungen, die nicht alle in den unterschiedlichen Kulturen gleich sind. Die bekanntesten Spielregeln des Abendlandes sind wohl die 10 Gebote des Alten Testaments, da diese das Abendland am stärksten geprägt haben. Allerdings sind auch diese Gebote nicht einheitlich, wie ich im Januar-Blog gezeigt habe. In diesem Monat geht es um Gelüste. 

Schon bei Kleinkindern, die beginnen zu sprechen, taucht oft ein Wort auf, das klar kennzeichnet, was das Kind möchte. Es streckt die Hand aus und sagt: „Haben“. Die Absicht ist klar, das Kind sieht etwas und möchte es haben. Manchmal kann man den Eindruck gewinnen, dass sich diese Absicht wie ein roter Faden durch unser Leben zieht.

Das „Vater Unser“

Vor kurzem habe ich nach langer Zeit wieder einmal an einem evangelischen Gottesdienst teilgenommen, weil es als Musikgottesdienst angesetzt war. Es war sehr schön, bis auf die Liturgie, die sich seit meinem letzten Besuch in einem Gottesdienst vor langer Zeit nicht verändert hatte. Dabei wurde natürlich auch das Vater Unser“ gebetet. Da war es wieder, das „Haben Wollen“. Mir drängte sich die Frage auf, ob das Vaterunser diesem Gebot entgegensteht. Sind die sechs Vater-Unser-Bitten nicht auch HabenWollen? Sicher können wir zu Gute halten, dass diese Bitten damals, als Jesus sie aussprach, zeitgemäß waren. Sind sie das heute noch, oder sollten wir doch langsam beginnenn zu Danken anstatt immer nur zu Bitten?

Der Einstieg ins Vaterunser stellt fest … Vater unser im Himmel, gut, dabei bleibt offen, was mit Himmel gemeint ist. Die Humaneutik beschreibt einen Himmel aus neuer, heutiger Sicht. Die ersten ‚Gelüste’ dieses Gebetes erwarten das, was schon immer da war und ist  ….. geheiligt werde dein Name, wann denn? Wann soll es denn jetzt endlich geschehen? Der Name Gottes war schon immer heilig! …… Dein Reich komme, wieso? Hat da irgendjemand etwas verpasst? Das Reich Gottes war schon immer da, vom Anbeginn der Schöpfung! …… Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden, auch dies war schon immer so. Es hat keine Zeit gegeben, in der Gottes Wille nicht geschehen ist! …… Unser täglich Brot gib uns heute, ja klar Haben Wollen!  Wer kommt den einmal auf den Gedanken zu beten: „Danke für unser täglich Brot“? Den Kindern wird immer wieder klargemacht, danke zu sagen, wenn sie etwas bekommen haben: „Wie sagt man? Wie heißt das?“ „Danke!“

…… Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsren Schuldigern. Ja, das Thema Schuld. Wer schuldet wem etwas? Wir hatten das Thema schon ein paar Mal. Gibt es denn Schuld überhaupt? Oder sind es Erfahrungsprozesse, die uns in unserer spirituellen Entwicklung weiterbringen. Wollen wir wirklich, dass Gott uns dieser Erfahrungsprozesse beraubt? Dann finden wir den Weg zu ihm nie zurück! Denn das ist Religion, der Weg zurück zu Gott, das Verbinden mit dem absoluten Ursprung,  DAS GANZE.

…… Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse und von dem Bösen. Aha, Gott ist also jetzt der Versucher. Als Jesus in der Wüste war, war es der Teufel, der negative Aspekt Gottes in der polaren Welt. Und jetzt ist es Gott persönlich? Nein, inzwischen ist bekannt, dass dies ein Übersetzungsfehler ist. Jesus hat aramäisch gesprochen und so wurde es auch aufgezeichnet. Übersetzen wir diese Bitte dierekt aus dem Aramäischen ohne Umweg über die griechische Übersetzung ins Deutsche, so ergibt sich: „Führe uns, auf dass wir nicht in Versuchung fallen!“ So gesehen, ist Gott nicht mehr der Versucher, stattdessen führt er uns, dass wir die Versuchungen die in den 10 Geboten angesprochen werden, erkennen. Wir kennen ja nun die 10 Gebote, die uns immer wieder auf die Zusammenhänge hinweisen, dass wir nicht zum Gegenteil verleitet werden. Allerdings brauchen wir anderseits auch die Versuchung, denn nur wenn wir immer wieder in die Fallen der ‚Fünf Perversionen des Verstandes hineintappen, welche sind: Lust, Gier, Eitelkeit, Ärger und Bindung, und erkennen, wie wir sie vermeiden und auflösen können durch Unterscheidungsvermögen, Bescheidenheit, Einfachheit, Nachsicht und Losgelöstheit, bringt es uns in unserer spirituellen Entfaltung weiter. Also hören wir auf, uns unsere ‚Schuld/Sünden’ durch Priester vergeben zu lassen, die können das nicht! Wir brauchen auch die Versuchung für unsere spirituelle Entwicklung und die Erkenntnis, dass das Gute ohne das Böse in unserer polaren Welt nicht existieren kann.

….. Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen. Aha, ist das jetzt Wunsch oder Erkenntnis? Dies sagt der wahre Name des abrahamitischen Gottes auch aus, JEVE: Das was da war, das da ist und das da sein wird.

Vielleicht sollten wir das Lied „Danke“ häufiger singen, damit die Dankbarkeit wieder mehr in den Fokus gerückt wird.

Frau als Inventar

Wie wir schon bei Spielregel Nr. 4 gesehen hatten, kommt auch in dieser 10. Spielregel der patriarchalische Gedanke wieder zum Vorschein. Die Frau wird gar nicht erwähnt, sie zählt wohl auch hier wieder nur zum Inventar. Vielleicht lässt es sich dann mit den Gelüsten nach des nächsten Hauses erklären, zu dem die Frau als Inventar wohl auch gehört.

Was aber, wenn die Frau nach etwas gelüstet? Da sie im Text nicht erwähnt ist, hat sie deswegen eine Art Freibrief? Nein, keines Falls! Für sie gelten alle Spielregeln gleichermaßen. Auch hier wieder ein Punkt, der der heutigen Weltanschauung entsprechend angepasst werden sollte, Thema Gleichberechtigung.  Mich würde interessieren, ob der Bewegung Maria 2.0 das auch schon aufgefallen ist.

Sicher ergeben sich weitere Fragen: Wer ist mein nächster? Wem gehört was? Gibt es ein Recht dessen, der zu wenig hat, dem, der zu viel hat, etwas wegzunehmen? Ich denke, so bleibt jedem Leser noch die Möglichkeit, dieses Thema mit in die Kontemplation zu nehmen.

Auch beim Thema Haben Wollen zeigt es sich, dass immer wieder ein Ausgleich stattfinden muss. Unser gesamtes Universum beruht auf dem Gesetz der Harmonie. So sind wir hier diejenigen, die den Ausgleich schaffen müssen, das nimmt uns niemand ab. Hier wieder die vier Betrachtungsmöglichkeiten wie im Januar-Blog beschrieben:

Die BIBEL (Martin Luther):
Lass dich nicht gelüsten deines Nächsten Hauses. Lass dich nicht gelüsten deines Nächsten Weibes noch seines Knechtes noch seiner Magd noch seines Ochsen noch seines Esels noch alles, was dein Nächster hat.

Die SCHRIFT (Hebräischer  Urtext):
Begehre nicht das Haus deines Genossen, begehre nicht das Weib deines Genossen, seinen Knecht, seine Magd, seinen Ochsen, seinen Esel, noch allirgend was deines Genossen ist.

Authentische Aussage (Pierre de Forêt):
Alles, was ist, ist geschaffen aus dem Geiste seines Schöpfers. Alles, was in festem Stoff zu sehen und zu fühlen geschaffen ist, ist geschaffen als Bild aus Geist und ist selbst Geist. Diesem Geist in dir aber sollst du untertan machen alles, was geschaffen ist in festem Stoff, sei es geschaffen als Stein, als Pflanze, als Baum, als Tier oder als Mann und Frau. Deinem Geist sollen auch untertan sein Reichtum und Macht und Begierde und die ganze Erde und alles was du mit deinen Händen erschaffst. Alles was geschaffen ist in festem Stoff, ist vergänglich, der Geist aber ist unvergänglich. Darum begehre nicht, was deines Nächsten ist, sondern tue Gutes im Geiste, denn selig sind die um des Geistes Willen arm gebliebenen. Ihnen gehört das himmlische Reich, die irdisch Mächtigen und Reichen aber werden es dadurch nicht erlangen.

Die  10. Verpflichtung (Neale Donald Walsch):
… noch begehrt ihr eures Nächsten Gefährtin/Gefährten, denn warum solltet ihr eures Nächsten Gefährtin/Gefährten haben wollen, wenn ihr wisst, dass alle anderen eure Seelengefährten sind?  Noch begehrt ihr eures Nächsten Güter, denn warum solltet ihr eures Nächsten Güter haben wollen, wenn ihr wisst, dass alle Güter die euren sein können und alle eure Güter der Welt angehören?

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Über den Autor

Peter W. administrator

1 Kommentar bisher

KoraiEingestellt am1:55 pm - Okt 1, 2020

Peter W. Köhne,
hiermit verleihe ich Dir den Ehren-Award „Zivilcourage 2020″. Du traust Dich was! Du legst Dich mit dem Klerus an, Du forderst deren Schäfchen zum Denken heraus. Du gehst selbst voran durchs Feuer der Erkenntnis. Weißt Du wie ich diesen wahrhaftigen Weg nenne: Humaneutik“.
Gerne gehe ich mit Dir…….

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